In der Nacht vom 27. auf den 28.02.1933 brannte der Reichstag durch Brandstiftung nieder. Unter Historiker*innen ist es z.T. noch strittig, ob der „Einzeltäter“ van der Lubbe tatsächlich gezündelt hat. Fest steht, dass die Nazis am meisten von diesem Brand für ihren Wahlkampf anlässlich der Wahlen am 05. März 1933 profitierten. Schon kurz nach Bekanntwerden der Brandstifter eilten Hitler, Göbbels und Göring zum „Tatort“ und gaben Anweisungen, wie nun zu verfahren war. Die NS-Propaganda sah darin ein Fanal für den Beginn eines Bürgerkriegs der KPD und der SPD. Noch in der Nacht machten Polizei und ihre Hilfspolizisten von SA und SS Jagd auf Abgeordnete und Funktionäre der Arbeiterparteien und Gewerkschaften nicht nur in Berlin sondern in ganz Deutschland.

Menschenjagd in Essen
Der Kriminalrat a.D. Gustav Adolf Lehnert schilderte 1958 in einer Aufsatzserie der neuen Ruhrzeitung, was sich in den ersten Wochen nach der Machtübertragung an die Nazis in Essen vollzog.
(…) Rosenmontag. Neben dem Eingang zur Rathausschenke und vor anderen Wirtshäusern in der Innenstadt standen bunte Schilderhäuschen. Grenadiere in friderizianischen Uniformen präsentieren ihre Holzgewehre illustren Gästen. In der ganzen Stadt toben die Narren. Die Gauleitung der NSDAP feierte im Saalbau. Karneval auf dem Höhepunkt. (…)
Seit dem 30. Januar ging das nun schon so. Ich wusste längst, dass hinter der Fassade der rauschenden Feste der Rechtsstaat langsam aber sicher abgewürgt wurde. (…)
Es muss gegen 22 Uhr gewesen sein. Wieder hörte ich einen Kradmelder über den Korridor stampfen. Er kam aufgeregt ins Zimmer und sagte: Der Reichstag brennt. Höchste Alarmbereitschaft. (..)
Die Polizeiunterkunft in der Lüihrmannstraße glich einem Heerlager. Polizisten mit Karabinern liefen umher, scharfe Munition wurde ausgegeben, die Panzerwagen gefechtsklar gemacht. Dann meldete sich der Kriminalrat am Telefon. (…)
„Wissen Sie, dass alle kommunistischen Reichstags- und Landtagsabgeordneten festzunehmen sind?“ „Jawohl, soeben Funkspruch erhalten.“ „Schön, dann Iegen Sie Ios. Sofort eine Liste zusammenstellen. Jetzt kommt mal die Geheimkartei zu Ehren. Ich werde in einer Viertelstunde im Präsidium sein.“ Zu Ehren? Ich hatte doch die Kartei für den Minister Severing geführt und nicht für Göring. Ich fühlte mich gar nicht wohl in meiner Haut. (…)
Der wusste noch nicht, was gespielt wurde. „Schreiben Sie: Auf Anordnung!“ „Gut, aber ich übernehme keine Verantwortung.“ „Brauchen Sie auch nicht, aber sagen Sie mal, wie wird denn die Einlieferung von Betrunkenen begründet?“ „Schutzhaft.“ „Schreiben Sie Schutzhaft!“ Da war das verdammte Wort gefunden, das später noch so eine schreckliche Bedeutung bekommen sollte und für manchen Folter und Tod hieß. (…)
Am Mittag des 28. Februar ging ich ins Polizeigefängnis, um mir die Schutzhäftlinge anzusehen. Da traf ich den schon bejahrten Rechtsanwalt Levy. „Was tun Sie denn hier?“ ,,Ein Justizbeamter, der eingefleischter Nazi ist, hat mich heute im Gericht gefragt, was ich zum Reichstagsbrand sage. Da habe ich ihm gesagt, das würden wohl die Nazis besser wissen, denn was in den Zeitungen steht, glaube kein Hutmacher. Das hat er der SA weitergemeldet, die hat mich geholt. “ Es war sehr schwer ihm klarzumachen, dass es keine freie Meinungsäußerung mehr gab. (…)
lnzwischen war die Anweisung eingegangen, die Parteihäuser und Druckereien der KPD zu besetzen und die Verkehrslokale der Kommunisten zu schließen. Die Bezirksleitung Ruhrgebiet der KPD hatte ihren Sitz im Hause Rottstr. 19 (Nähe Pferdemarkt). Dort befanden sich auch Verlag, Redaktion und Druckerei der Zeitung „Ruhrecho“. (…)
Inzwischen war die Anweisung eingegangen, die Parteihäuser und Druckereien der KPD zu besetzen und die Verkehrslokale der Kommunisten zu schIießen. Die Beziksleitung Ruhrgebiet der KPD hatte ihren Sitz im Hause Rottstr. 19 (Nähe Pferdemarkt). Dort befanden sich auch Verlag, Redaktion und Druckerei der Zeitung „Ruhrecho“. (…)
In der Druckerei verfielen die SA-Leute in einen Zustand, den ich als Zerstörungsraserei bezeichnen möchte. Setzmaschinen, die gesamte Akzidenzdruckerei und alle Hilfsmaschinen wurden zerschlagen. Die Handsetzerei glich einem Schrotthaufen, Drucktypen, Setzkästen und Klischees lagen in wüstem Durcheinander am Boden. Als die Polizei abzog, übernahm die SA als Hilfspolizei die Bewachung des Gebäudes. Vor dem Gebäude der sozialdemokratischen ,,Volkswacht“ zog ein Polizeiposten auf. (zitiert nach Frank Kowalovski, „Achtung! Gruga an alle!“, Die Geschichte der Essener Polizei, Mülheim 2009)
In den kommenden Tagen und Wochen gingen die Polizei und ihre SA Hilfspolizisten weiter brutal gegen ihre politischen Gegner und gegen die jüdische Bevölkerung vor. Arbeitersiedlungen wurden umstellt und systematisch nach Funktionären und Abgeordneten der Arbeiterparteien durchsucht. Mit der sog. „Reichstagsbrandverordnung“ endete die Weimarer Republik.

