In seiner ersten Rede als Bundeskanzler brachte Willy Brandt sein Ziel auf den Punkt: „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. Dieser Satz bedeutete den Aufbruch in eine bessere Zukunft ohne eine ideologisch verblendete CDU/CSU in Regierungsverantwortung, die sich nicht damit abfinden konnte, dass ein sozialdemokratischer ehemaliger Widerstandskämpfer Bundeskanzler wurde. Heute ist der Todestag von Willy Brandt, der am 08.10.1992 in Unkel am Rhein starb.
Wir gedenken mit großem Respekt und größter Sympathie dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin (1957-1966), langjährigen Parteivorsitzenden (1964-1987), Bundeskanzler (1969-1974) und Präsidenten der Sozialistischen Internationalen (1976-1992). Unter dem Motto Wandel durch Annäherung beendete Brandt als Bundeskanzler die bis Ende der 1960er Jahre an der Hallstein-Doktrin ausgerichtete Außenpolitik Westdeutschlands auf und leitete mit seiner neuen Ostpolitik eine Zäsur im ideologisch konfrontativen Klima des Kalten Krieges ein. Mit den von der CDU/CSU-Opposition heftigst bekämpften Ostverträgen begann er einen Kurs der Entspannung und des Ausgleichs mit der Sowjetunion, der DDR, Polen (Kniefall von Warschau) und den übrigen Ostblockstaaten. Für diese Politik erhielt Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
Willy Brandts sozialliberale Koalition ging es auch um innenpolitische Reformen in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. Brandt stellte in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 die künftige Regierungsarbeit unter das Motto: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“, das schon bald als geflügeltes Wort für einen von vielen vor allem jungen Menschen erhofften gesellschaftlichen Aufbruch angesehen wurde, mit dem die innenpolitische Stagnation der Adenauer-Zeit überwunden werden sollte. So wurde die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
Der 1969 vorgestellte Katalog innerer Reformen fing bei der Bildung an und ging über den Wohnungs- und Städtebau bis zum Verkehr. Mehr Chancengleichheit im Bildungswesen sollte durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) erreicht werden, in dem erstmals für Studenten aus einkommensschwachen Familien ein Rechtsanspruch auf finanzielle Förderung festgelegt wurde. Das Betriebsverfassungsgesetz wurde mit einer umfassenden Novelle den zeitgemäßen Anforderungen angepasst. Leistungsverbesserungen bei der Kranken-, Unfall und vor allem der Rentenversicherung sowie die gesteigerten Ausgaben für Bildung rundeten die Reformpläne der sozialliberalen Koalition ab.

Willy Brandt gehört auch zu den umweltpolitischen Pionieren der Bundesrepublik. Schon im Bundestagswahlkampf 1961 trat er für einen „blauen Himmel über dem Ruhrgebiet“ ein. Im Jahre 1973 wurde unter seiner Kanzlerschaft erstmals eine umweltpolitische Bundesbehörde geschaffen.
Wenige Tage vor dem Ende der zweiten Regierung Brandt verabschiedete der Bundestag am 26. April 1974 mit knapper Koalitionsmehrheit ein Gesetz zur Reform des § 218 des Strafgesetzbuchs (Deutschland), das den Schwangerschaftsabbruch mit einer Fristenlösung straffrei stellte. Diese lange und sehr emotional diskutierte Neuregelung wurde später vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.
Willy Brandts Politik und Engagement für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität lebt noch immer weiter. Deshalb ist es eine Pflicht für jede Sozialdemokratin und jeden Sozialdemokraten, die Erinnerung an ihn und seine Errungenschaften nicht nur für Deutschland wach zu halten.